Staatspreis Baukultur 2024
© Martin Stollberg

Seelesplatz in Herrenberg

Aus der Jury: „Die Neugestaltung des Platzes und der Seestraße stellt einen wichtigen Baustein im Entwicklungskonzept für die Innenstadt dar.“

Preisträger in der Sparte Öffentliche Räume, Grün- und Freiräume

In Herrenberg wurde, auf Basis eines Wettbewerbsverfahrens, ein langgezogener Bereich vor der Stadtmauer in einen attraktiven und belebten urbanen Raum verwandelt. Die ehemals hochfrequentierte Bundesstraße und die zahlreichen Parkplätze wurden teilweise zurückgebaut. Die Idee dahinter war, einen großzügigen, funktionalen Platz- und Straßenraum mit Boulevard-Charakter sowie hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen. Außerdem sollte die trennende Wirkung der Straße reduziert und so die Verbindung der westlichen Innenstadt, insbesondere dem Büro- und Einkaufsbereich "Seeländer-Areal", mit der Altstadt verbessert werden.

Mit einem hellen Straßenbelag und einer langgestreckten Mittelinsel, die das Pflaster des Platzes aufnimmt, wird der Fußgängerübergang für den Autoverkehr betont und schafft zugleich eine verbindende Wirkung. Verbesserungen für den ÖPNV wurden durch attraktivere Bushaltestellen und intelligente Verkehrsleitsysteme erreicht. Darüber hinaus wurden Fahrradstellplätze mit Bügeln, Lade- und Reparatursäulen geschaffen.

Der weitgehend verkehrsfreie Bereich erhielt vielfältige, aufeinander abgestimmte Bodenbeläge und Oberflächen. Betonpflaster in gelblichen und grauen Farbtönen, graues Granitpflaster sowie kontrastierende Kantsteine prägen die Gestaltung. Unterschiedliche Wiesen- und Sandflächen, die mit Sitzelementen aus Beton mit Holzauflage ausgestattet sind, laden zum Aufenthalt und Spiel ein. Eine großzügige, abgetreppte Wasserfläche erinnert an den ehemaligen kleinen See an dieser Stelle. Neue Baumdächer wurden durch Einbezug der Bestandsbäume und zahlreichen neuen Bäume mit großen Baumscheiben geschaffen. Hainbuchenhecken dienen als räumliche Trennung zwischen Fahrbahn und Platzfläche.


Jury-Bewertung

Eine interdisziplinäre und strategische Planung ging der Neugestaltung des Seelesplatzes in Herrenberg voraus. Am Rande der Altstadt konnte die starkfrequentierte Seestraße B 14 mit angrenzendem Parkplatz so umgebaut werden, dass ein attraktiver belebter und gut nutzbarer Straßenraum entstanden ist.

Vorangegangen war ein Modellprojekt des Bundes für "Saubere Innenstädte" mit den beiden verkehrlichen Zielen, den ÖPNV durch zukunftsfähig ausgestattete Bushaltestellen und den Verkehrsfluss durch ein intelligentes Verkehrsleitsystem zu verbessern. Ein intelligenter Ansatz sorgt mittels Sensoren für die KI-gesteuerte Regelung der Höchstgeschwindigkeit des Kfz-Verkehrs. Damit wurde nicht nur die Reduzierung des Schadstoffausstoßes erreicht, durch Wegnahme von Fahrspuren konnte auch Raum zugunsten eines Radfahrstreifens und für eine attraktive, an die Stadtmauer anlehnende Platzgestaltung gewonnen werden.

Bestehende Bäume wurden weitgehend erhalten, in den Entwurf integriert und ergänzt. Hainbuchen-Blöcke bilden die räumliche Trennung zur Fahrbahn. Als prägendes Element sorgt das Wasser als Reminiszenz an einen früheren See für ein gutes Mikroklima und für eine hohe Erlebnisqualität. Gut ausgewählte Bodenbeläge kennzeichnen die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten. Auch die Sitzelemente aus Beton mit Holzauflagen aus Robinie sorgen für eine hohe Aufenthaltsqualität. Das lockere Baumdach lässt den Blick frei zur historischen Altstadt mit der markanten Stiftskirche.

Die Neugestaltung des Platzes und der Seestraße stellt einen wichtigen Baustein im Entwicklungskonzept für die Innenstadt dar. Der entstandene Stadtraum mit hoher Anziehungskraft fungiert nun als verbindender Trittstein zu angrenzenden Innenstadtbereichen. 

Der neue Seelesplatz in Herrenberg wird als hervorragendes Beispiel für Stadtraumneuinterpretation mit Modellcharakter gewertet.