Staatspreis Baukultur 2024
© Martin Stollberg

Kulturbahnhof in Aalen

Aus der Jury: „Die Stadt Aalen hat einen wichtigen baukulturellen Beitrag für eine wiederkehrende Aufgabe geleistet – die Umnutzung von Bahnhofsgebäuden und die Zwiesprache von Alt und Neu.“

Preisträger in der Sparte Bauen für die Gemeinschaft

In Aalen entstand auf einem ehemaligen Bahnbetriebsgelände das "Stadtoval", ein hoch verdichteter, gemischt genutzter Stadtteil. Aus der dort befindlichen Brandruine des ehemaligen Bahnhofs wurde ein neues Kulturzentrum für die Stadt. Ziel war es dabei, vorhandene Institutionen und Nutzungen zusammenzulegen, Synergien zu fördern und Ressourcen zu optimieren.

Die historischen Gebäudefragmente und die in weiten Teilen zerstörte Fassade dienten als Hülle für das neue Gebäude: die Sandsteinfassade wurde, wo es möglich war, restauriert und ansonsten teilweise stilisiert in eingefärbtem Sichtbeton ersetzt oder von Steinmetzen ergänzt und repariert. Glattere Oberflächen bei neuen Sandsteinen wurden bewusst sichtbar belassen.

Im wiederaufgebauten Erdgeschoss befinden sich nun das Stadttheater, ein Veranstaltungssaal und ein Kino sowie gemeinsam genutzte Bereiche wie das Foyer, ein großzügiger zentraler Raum mit Gastronomie sowie Garderoben- und Toilettenanlagen.

Die Dächer der kurzen Quergiebel wurden wiederaufgebaut, während der Längsgiebel durch einen, mit gefaltetem halbtransparentem Lochblech verkleideten Quader ersetzt wurde. Darin befindet sich ein aufgesattelter, zweigeschossiger Neubau für die Musikschule, die Theaterwerkstätten und Verwaltungsräume. Der moderne Aufbau steht im Kontrast zur Fassade aus dem 19. Jahrhundert und erzeugt gewollte Assoziationen an zeitgenössische Industriearchitektur.


Jury-Bewertung

Mit dem „Stadtoval“ hat sich Aalen einen neuen zentralen Bereich geschaffen, mit dem Kulturbahnhof hat dieser Stadtteil wiederum ein funktionales und gestalterisches Herz erhalten. Das ehemalige Bahnhofsgebäude bestand nach einem Brand nur noch in baulichen Resten, die Fassade freilich vermittelte eindrucksvoll die Qualität der historischen Industriearchitektur. Entsprechend sorgfältig wurde die erhaltene Natursteinsubstanz behandelt, gestalterisch durch zeitgenössische Steinmetzarbeiten ergänzt, neue Gebäudeteile wurden selbstbewusst in das Ensemble eingebracht und durch neue Materialien kenntlich gemacht. Zum Erfolg dieses Vorhabens tragen neben der gestalterischen Qualität vor allem die vielfältigen öffentlichen Nutzungen bei. Im Kulturbahnhof begegnen sich das Theater der Stadt Aalen und die Musikschule, ein Kulturverein und das Kino – alle Räumlichkeiten sind hochwertig für professionelle Nutzungen ausgestattet. Sie werden von einem großzügigen Foyer aus erschlossen. Die Gastronomie belebt nicht nur den Kulturbahnhof, sondern strahlt auch in den Stadtteil aus. Das Zusammenspiel von Bestandserhalt, Um- und Weiterbau hat die Jury überzeugt. Sie würdigt die mutige Herangehensweise, sich dem Erhalt der Brandruine zu stellen, ebenso das Konzept des Weiterbauens, um die anspruchsvollen Nutzungen zusammenzubringen. Die Stadt Aalen hat damit einen wichtigen baukulturellen Beitrag für eine wiederkehrende Aufgabe geleistet – die Umnutzung von Bahnhofsgebäuden und die Zwiesprache von Alt und Neu.