Staatspreis Baukultur 2024
© Martin Stollberg

U-Halle Spinelli in Mannheim

Aus der Jury: „So sollte eine neue Um-Baukultur sein – ressourcenschonend, minimalinvasiv, flexibel und in einen dialogisch-partizipativen Prozess eingebunden.“

Anerkennung in der Sparte Prozess und Initiative

Auf dem Konversionsareal „Spinelli“ wurde im Zuge der Mannheimer BUGA 2023, gelegen am neuen Parkrand, eine große, ehemalige Lagerhalle umgebaut. Projektansatz war die Herstellung eines zirkulären Gebäudes in öffentlicher Hand mit einem hohen Anspruch an ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. Die Transformation der Halle sollte in zwei Phasen erfolgen: In der ersten Phase wurden für die BUGA Räumlichkeiten für Ausstellung, Veranstaltung, Gastronomie und Rundfunkstudio hergestellt. Hierfür und für die Nachnutzung wurde eine partizipative Struktur als Regelwerk erarbeitet, welches die Umbaumöglichkeiten für zukünftige Nutzer beschreibt, um mit wenigen Bauelementen individuelle Raumzuschnitte herstellen zu können.

Durch das abschnittweise Entfernen von Seitenwänden und Dachdeckung wurden sechs Freiflächen mit ca. 8.000 m² gewonnen. Somit wird eine wichtige klimaökologische Frischluftschneise für Mannheims Innenstadt geöffnet. Durch das partielle Aufschneiden der Bodenplatte sowie das Freilegen des Innenhofes werden Retentions- und Sickerflächen geschaffen. Für den Aus- und Umbau der Hallen und den Bau neuer Giebelwände wurden u. a. Holzrahmenbauwände und recycelte Polycarbonat-Stegplatten sowie Holz, Metall und Glas von umliegenden Baustellen verwendet. Viele vorhandenen Bauteile konnten direkt wiederverwendet werden oder wurden zunächst ausgebessert und repariert. Neben den minimalen Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen wurden als technische Infrastruktur temporäre Strom- und Wasserleitungen verlegt und eine großflächige PV-Anlage realisiert.


Jury-Bewertung

Die Transformation der riesigen Lagerhalle auf dem Mannheimer Spinelli-Gelände steht für einen beispielhaften Ansatz, wie ein aus der Nutzung gefallenes Logistikgebäude prozesshaft und über einen längeren Zeitraum entsprechend sich verändernder Rahmenbedingungen und Bedarfe umgebaut, umgenutzt und neu bespielt werden kann. Dabei werden die Flächennutzungen der U-Halle gemeinsam mit den Nutzenden entsprechend der jeweils aktuellen Bedarfe entwickelt und realisiert. In einer überraschend vielfältigeren Struktur entwickelt sich ein gerüstartiges, teils durchlässiges und teils geschlossenes Gefüge bestehend aus Freiflächen und Hallen, die sowohl Lebensräume für unterschiedlichste lokale Tier- und Pflanzenarten bietet als auch spannungsvolle und interessante Nutzungs- und Aufenthaltsbereiche für Menschen schafft. 

Die U-Halle ist ein herausragendes Beispiel für zirkuläres Bauen in öffentlicher Hand und zeigt in eindrucksvoller Weise, wie ein einst monotoner, monofunktionaler, geschlossener Stadtbaustein durch das Aufschneiden der Gebäudehülle und der Bodenplatte in unterschiedliche Bereiche gegliedert werden kann. Gleichzeitig übernimmt er wichtige klimaökologische, hydrologische und habitatrelevante Funktionen für die dicht bebaute Stadt. 

Auf der Basis eines konsequenten Low-Tech-Ansatzes entstehen umfangreiche Möglichkeiten der flexiblen Nutzungsumverteilungen und unterschiedlicher Ausbaustandards. Gleichzeitig wird durch den Erhalt der Konstruktion die geschichtliche Prägung des Ortes bewahrt. So sollte eine neue Um-Baukultur sein – ressourcenschonend, minimalinvasiv, flexibel und in einen dialogisch-partizipativen Prozess eingebunden.