Staatspreis Baukultur 2024
© Martin Stollberg

Neue Ortsmitte in Walddorfhäslach

Aus der Jury: „Das Projekt stellt mit seinem ganzheitlichen Ansatz […] überzeugend unter Beweis, wie die Ortsmitte einer kleinen Gemeinde aktiviert und den Ansprüchen an eine identitätsstiftende Baukultur Rechnung getragen werden kann.“

Anerkennung in der Sparte Städtebau und Stadtentwicklung

In der Gemeinde Walddorfhäslach, mit ca. 5.550 Einwohnerinnen und Einwohnern, wurden der Ortskern reaktiviert, der öffentliche Verkehrsraum barrierefrei umgestaltet, drei denkmalgeschützte Gebäudekomplexe saniert und umgenutzt sowie neuer Wohnraum geschaffen. Basis dafür ist eine sehr aktive Grunderwerbs- und Bodenpolitik der Gemeinde mit den Zielen Nutzungsmischung, Umnutzung der Bausubstanz von historischen Gebäuden, Reaktivierung von untergenutzten Flächen sowie Ansiedlung bzw. Sicherung von sozialer Infrastruktur und von Einrichtungen zur medizinischen Versorgung.

Gemeinsam mit einem Projektentwickler wurden die Baudenkmale „Alte Molkerei“, „Ochsenareal" sowie „Haidlinsgasse 15" grundlegend saniert und für Gemeinderäume, ein Bürgerbüro, eine Mediathek, diverse Wohneinheiten sowie Einzelhandel und Praxen umgebaut. Ergänzend entstand eine neue Wohnanlage mit 27 Wohneinheiten, Tiefgarage mit E-Ladestationen, Photovoltaik-Anlage auf den Dächern und Geothermieanlage. Damit wird ein gemeinsames regeneratives Energienetz - ein kaltes Nahwärmenetz - für die Neue Ortsmitte gespeist, welches nur minimale CO2-Emissionen erzeugt. Gleichzeitig wurde ein qualitätsvoller kleiner Grünzug mit einem Wasserlauf angelegt, der die Alt und Neu verbindet, sowie Raum für neue Fußgänger- und Platzbereiche als zentrale Treffpunkte für die Nachbarschaft schafft. 


Jury-Bewertung 

Im Rahmen der Quartiersentwicklung „Neue Ortsmitte Walddorfhäslach“ südlich von Stuttgart wird der vorhandene denkmalgeschützte Bestand in Verbindung mit neuen Nutzungen geschickt genutzt, um eine Reaktivierung des Dorfkernes zu erreichen. Die drei bestehenden denkmalgeschützten Gebäudekomplexe, die aus nachhaltigen Materialen wie Holz und Lehm bestehen, werden umgebaut und erhalten neue Nutzungen, die der Gemeinde als Treffpunkt und als ergänzende soziale Infrastruktur dienen. Der neue Nutzungsmix mit vorwiegend öffentlichen Angeboten ist geschickt aus den vorhandenen Räumlichkeiten entwickelt worden. Durch eine Ergänzung mit Neubauten wird zusätzlicher Wohnraum geschaffen und das Gesamtensemble städtebaulich sinnvoll arrondiert. Bestand und Neubau ergänzen sich funktional, räumlich und gestalterisch zu einem Gesamtensemble. Neben dem Umbau- und Neubaukonzept in zentraler Ortslage besticht das Projekt durch sein innovatives energetisches Konzept. Sowohl die neuen Gebäude als auch die denkmalgeschützten Bestandsbauten werden über ein gemeinsames Energienetz mit dezentraler vor Ort erzeugter Energie versorgt. Die energetischen Maßnahmen reichen von einer passiven Kühlstation im Bestand, einem Erdsondenfeld unter dem Neubau bis hin zu Wärmepumpen und PV-Anlagen. 

Das Projekt stellt mit seinem ganzheitlichen Ansatz aus Sanierung und baulicher Ergänzung, aus gemeinschaftsorientierten Nutzungen und Wohnen sowie einem innovativen energetischen Konzept überzeugend unter Beweis, wie die Ortsmitte einer kleinen Gemeinde aktiviert und den Ansprüchen an eine identitätsstiftende Baukultur Rechnung getragen werden kann.