Staatspreis Baukultur 2024
© Martin Stollberg

Hartmann Baumann Schule in Hockenheim

Aus der Jury: „Je länger man hinsieht, umso offensichtlicher wird es, dass es sich um ein wirklich sehr klug gemachtes Projekt handelt.“

Anerkennung in der Sparte Bauen für Bildung und Forschung

In der Ortsmitte Hockenheims wurde die Hartmann-Baumann-Schule, ein Betonbau aus den 1960er Jahren, saniert und ergänzt. Anlass bot die Erweiterung von zwei auf drei Züge und die Erfordernisse einer modernen Grundschule mit den damit verbundenen pädagogischen Rahmenbedingungen.

Es entstand ein dreigeschossiger Klassenneubau sowie eine zentrale, glasüberdeckte Halle, welche als U-förmiger Anbau das bestehende Gebäude ergänzt und eine Verbindung von Alt und Neu schafft. Hierdurch konnte eine zweiseitige Belichtung für den Anbau und die innenliegenden Klassen sowie die Möglichkeit der Querlüftung über die Thermik der Halle geschaffen werden. An den Stirnseiten entstanden Sondernutzungen (Küche, Musikraum, Multifunktionsraum) und auf dem Neubau eine Dachterrasse. Im Bestand wurde die Betonkonstruktion aufgebessert und die ursprüngliche Haptik wiederhergestellt. Der bestehende Eiche-Industrie-Parkettboden wurde aufgearbeitet und die Betonsitzbänke im Flur erhalten. Insgesamt wurde ein Low-Tech-Infrastrukturkonzept mithilfe eines Verzichts auf eine Lüftungsanlage, durch Anschluss an Nahwärme, Nutzung des extensiv begrünten Dachs durch Photovoltaik sowie die hochwertige Dämmung aller Außenbauteile verfolgt. Weitere drei Gebäude auf dem Gelände sind derzeit noch ungenutzt und werden als Reserve für künftige Umgestaltungen verstanden.


Jury-Bewertung

Richtig beliebt sind sie bei den meisten nicht, die Betonschulen aus den späten 60er Jahren. Gerne werden daher bisweilen Altlasten und schlechte energetische Substanz als Argumente vorgeschoben, um für Abriss statt Umbau zu plädieren. Auch bei der Hartmann-Baumann-Schule in Hockenheim, einer bislang zweizügigen Grund- und Werkrealschule, die zu einer dreizügigen Grundschule umgebaut, beziehungsweise erweitert wurde, war es ein längerer Prozess, bis alle die Qualitäten des Bestandsbaus erkannt und schätzen gelernt haben. 

Mit dem Umbauprojekt geht es einem ähnlich. Man muss zweimal hinsehen, um alle Qualitäten des Projektes zu erkennen. Aber je länger man hinsieht, umso offensichtlicher wird es, dass es sich um ein wirklich sehr klug gemachtes Projekt handelt. Es zeugt von großer Könnerschaft, wie der dreigeschossige, lediglich aus Klassenzimmern und Treppenhäusern – ohne Flure – bestehende Bestandsbau (Schustertyp) dem Neubau als Vorbild dient, wie beide so miteinander verwoben wurden, dass auf zusätzliche neue Treppenhäuser verzichtet werden konnte, wie der Bestand zum Vorbild für ein LowTech-Konzept mit natürlicher Lüftung wurde, wie die Qualität der zweiseitig belichteten Klassenräume des Bestands – und auch deren Geometrie – gespiegelt wurden auf den Neubau und dadurch eine perfekt funktionierende Zuordnung der Klassenräume und Jahrgangsstufen entstand.

Und damit nicht genug! Dem vielleicht etwas spröden Waschbetonbau aus den 60er Jahren wurde durch die Ergänzung einer lichtdurchfluteten dreigeschossigen Halle und einer großzügigen Dachterrasse neues Leben eingehaucht. Gemeinsam mit dem robusten und stimmigen Materialkonzept wird daraus eine sehr gelungene neue Grundschule.