Staatspreis Baukultur 2024
© Martin Stollberg

Bodan-Werft in Kressbronn am Bodensee

Aus der Jury:   „Es versteckt seine Herkunft nicht, sondern zeigt, wie gewerbliche Bauten umcodiert und für neue Nutzungen erschlossen werden können, ohne an Authentizität einzubüßen.“

Anerkennung in der Sparte Bauen für die Gemeinschaft

Das Gelände der Bodan-Werft, direkt am Bodensee, wurde ca. 100 Jahre lang industriell genutzt. Nun ist ein Teil davon nach der Komplettsanierung von drei ehemaligen Werfthallen, für die Allgemeinheit geöffnet und zugänglich. In den Hallen wurden Räume für neue Nutzungen wie Gastronomie oder Events, sowie eine zum See geöffnete Bühne geschaffen. Durch Öffnungen in den Fassaden und Brücken über die vertieften Slipbereiche der Werft wurde ein öffentlicher Weg entlang des Seeufers geschaffen.

Es ist eine neue "Eventhalle" entstanden, die im Sommer bestuhlt 180 Sitzplätze für Theater/Konzerte oder ohne Bestuhlung einen Partyraum bietet. Im Winter entsteht eine Eisbahn auf der Bühne. In der mittleren Halle wurde ein Restaurant mit Profiküche eingerichtet, mit einem Indoorbereich und überdachten Outdoorplätzen. In der ehemaligen Schreinerei befindet sich ein frei möblierbarer Saal mit Theke, der in kleinere Einheiten teilbar ist und für private oder öffentliche Feiern vermietet wird.

Die Tragwerke der Hallen wurden restauriert und in Teilen erneuert. Die Holzkonstruktionen mussten teilweise mit Stahlrahmen überbaut werden und in der Eventhalle, wurde das Tragwerk durch ein untergestelltes Stahlkorsett zum Halten gebracht. Die ehemalige Schreinerei wurde komplett abgebaut und über einem wasserundurchlässigen Keller neu aufgerichtet; dabei wurden die Wände mit Brettsperrholz verstärkt und das Hängewerk mit Stahlzangen ergänzt. Gebrauchte Seecontainer beherbergen nun u. a. die Großküche, einen Ausstellungsraum und die WC-Anlagen.


Jury-Bewertung

Nach Insolvenz der Bodan-Werft wurde das gesamte Areal in seiner Sachgesamtheit unter Denkmalschutz gestellt. Gleichzeitig suchte die Gemeinde Kressbronn eine Nachnutzung für diesen ungewöhnlichen Standort, der einen öffentlichen Mehrwert bietet. Private Unternehmer betreiben heute die städtische Liegenschaft mit den Hallen, einem Restaurant sowie Kiosk und vor allem mit vielen guten Ideen. Ganz offenbar hat sich die gute Kooperation von Stadt, Architekturbüro und den Betreibern ausgezahlt. Der Bestand und sein Zustand gaben hier den Rahmen für die Gestaltung im Zusammenspiel von Erhalt, Eingriff, Wiederverwendung, Sanierung und Ersatz. Das Tragwerk in den Hallen wurde restauriert und teilweise erneuert, die Schreinerei komplett neu aufgebaut. Der gewerbliche Charakter ist allseits sichtbar geblieben und prägt die Atmosphäre der Innen- und Außenräume. Die Spezifik der früheren Nutzung als Werft ist vor allem sichtbar in den vielfältigen Verflechtungen und Übergängen zwischen Innen und Außen. Die offene Bühne profitiert von der grandiosen Bodensee-Alpen-Kulisse. Die Jury würdigt mit den Werfthallen ein sympathisches Konzept für die Umnutzung eines brachliegenden Industriegeländes. Es versteckt seine Herkunft nicht, sondern zeigt, wie gewerbliche Bauten umcodiert und für neue Nutzungen erschlossen werden können, ohne an Authentizität einzubüßen. Hierzu trägt der bewusste, gleichzeitig pragmatische, fast spielerisch anmutende Umgang mit dem Bestand bei. Ein wichtiger Beitrag zur Um-Baukultur.