Bauen und Wohnen im Bestand Bietigheim-Bissingen: Rommelmühle

Die denkmalgeschützte Rommelmühle wurde zwischen 2003 und 2007 zu einem Wohn- und Geschäftsgebäude umgebaut. Ein Wasserkraftwerk den Strom für die Wohnungen und Gewerbeeinheiten, während das Gebäude über Stege hochwasserfrei an den Ortskern von Bissingen angebunden wurde.

Zusammenfassung

Von 2003 bis 2007 wurde die historische Rommelmühle in Bietigheim-Bissingen von einem Ökokaufhaus in ein hochwertiges Wohn- und Geschäftsgebäude umgewandelt. Dabei musste in der schwierigen Bestandssituation besonders auf den Denkmalschutz Rücksicht genommen werden. Ein besonderer Fokus wurde auf ökologische Aspekte gelegt: Im Untergeschoss produziert heute ein Wasserkraftwerk an den bestehenden Turbinenkanälen Ökostrom, während das Mühlengebäude selbst über eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage versorgt wird. Das Gebäude wurde über Stege hochwasserfrei an die Innenstadt angebunden und der Bachlauf renaturiert.

Ausgangslage und Massnahmen

Das 1996 von der Bauträgergruppe ArchiNova gekaufte ehemalige Mühlengebäude liegt unmittelbar am Flusslauf der Enz – teilweise wurde das Gebäude sogar in das Flussbett gebaut. Es ist eines der mächtigsten Mühlengebäude in Deutschland, das den Ortskern Bissingens mit seinen den Hochhausrichtlinien unterworfenen Dimensionen prägt und dominiert. Nach 17-monatiger Umbauzeit des historischen Gebäudes wurde es unter dem Namen „Archinova“ im September 1998 seiner Bestimmung übergeben, als damals erstes und einziges Ökokaufhaus der Bundesrepublik.

Nachdem das Konzept in Teilen scheiterte und die Betreibergesellschaft Insolvenz anmelden musste, erwarb ein genossenschaftlicher Bauträger das Gebäude und strebte einen erneuten Umbau an. Ziel war, in der Rommelmühle eine Nutzungsmischung aus Wohnen, Arbeiten, Kultur und Einzelhandel zu verwirklichen. Um innerhalb der problematischen Erschließungszonen und tiefen Gebäudegrundrisse ein akzeptables Wohnkonzept verwirklichen zu können, zeigten erste Planungskonzepte für Lofts ein Grundrisssystem, angelehnt an Le Corbusiers Wohnmaschinen mit Loft-Wohnungen über zwei Ebenen, die ausschließlich von einer Erschließungsebene zugänglich sind.

Erhebliche technische Probleme ergaben sich durch den vom Landesdenkmalamt gewünschten Erhalt der innen und außen sichtbaren Klinkerfassade, ohne zusätzliche Verputze und Wärmedämmmaßnahmen. Dies unter dem ökologischen Ansatz des Gebäudes zu verwirklichen, war eine Herausforderung an Bauphysiker und Energietechniker. Die denkmalgeschützte Fassade wurde durch sensible Ergänzungsbauten und Öffnungen in der Sichtmauerwerkstruktur mit neuen Balkonanlagen und Eingänge ergänzt und so für die Wohnnutzung sinnvoll umgebaut. Die Rommelmühle wurde durch eine sensible fußläufige und hochwasserfreie Anordnung von Steganlagen behindertengerecht und besucherfreundlich an das Ortszentrum Bissingen und das örtliche Fußwegenetz angebunden.

Ökologie

Das Gesamtprojekt wird ausschließlich durch energieeffiziente und CO2-sparende bzw. regenerative Primärenergiequellen gespeist. Durch seine Lage an einer Staustufe der Enz und seine ehemaligen Funktion als Mühlengebäude konnten Wasserturbinen in die unter dem Gebäude liegenden Turbinenkanäle integriert, nachdem die Transmissionseinrichtung für die Mahlwerke entfernt wurden. Die Anlage wird durch einen privaten Betreiber, der ebenfalls im Gebäude ansässig ist, betrieben. Die vier durch Wasserkraft bewegten Turbinen erzeugen elektrische Energie, die in das Netz der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen eingespeist und unter der Bezeichnung „Ökostrom“ an die Bürger Bietigheim-Bissingens verkauft wird. Die Abwärme der Turbinen dient, ergänzt durch großvolumige Pufferspeicher, als Heizwärme für das Gebäude.

Da diese Abwärme für eine ausschließliche Heizung des Gebäudes nicht ausreichend ist, wurde zusätzlich eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage errichtet, zur Erzeugung von Strom für den Eigenbedarf wie zur Einspeisung in das öffentliche Stromnetz. Die Abwärme der auf einer Gasturbine basierenden Kraft-Wärme-Kopplung wird im Winter zur Heizung genutzt, in den Sommermonaten aber in Kälte umgewandelt, die zur Kühlung der im Erd- und 1. Obergeschoss befindlichen Gaststätte und den Büroräumlichkeiten sowie dem Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss verwendet wird.

Der Wirkungsgrad der Kraft-Wärme-Kopplung liegt bei annähernd 90% der eingespeisten Primärenergie. Durch aufwändige Dämmung der Dachflächen konnten weitere Energieeinspareffekte erreicht werden, während die Wandflächen aufgrund der denkmalgeschützten Fassade sowie der Innenverklinkerungen hierfür nicht zur Verfügung standen.

Großer Wert wurde auf die Renaturierung der Enzaue gelegt. Behutsam wurde ein Biergarten in die Begrünung und die renaturierten Uferbereiche integriert, so dass ein Erleben der hochwertigen Ufervegetationsflächen und gleichzeitig eine sensible Nutzung dieser Uferbereiche erreicht wurde. Die Staustufe und der Wehrbereich wurden weitestgehend unverändert belassen.

Um möglichen Überschwemmungsereignissen der Enz keinen Angriffspunkt zu bieten, wurden ergänzende Bauwerke wie Carports in die Fließrichtung des Flusses integriert, die bei Hochwasserereignissen nicht als Stauelemente wirken und damit nicht ihrerseits zur Hochwasserproblematik beitragen. Die notwendigen Carports wurden aus Gründen der Regenrückhaltung mit einer Dachbegrünung versehen. Große Teile der Dachentwässerung werden über Zisternen als Brauchwassernutzung, insbesondere der Gaststätte, zugeführt.